Ratgeber

Was tun, wenn die Mundrose blüht?

Was tun, wenn die Mundrose blüht?

Von Nulltherapie bis Antibiotika

Eigentlich ist die Mundrose eine harmlose, nicht ansteckende Erkrankung. Trotzdem ist sie tückisch: Denn wer versucht, die roten Papeln und Pusteln um Mund oder Nase mit Pflegecremes oder gar Kortison zu vertreiben, verschärft das Problem. Stattdessen ist bei der Mundrose konsequente Nulltherapie angesagt. Wie die aussieht und wann zusätzlich Antibiotika oder Vitamin-A-Säure erforderlich sind, erfahren Sie im aktuellen Ratgeber.

Papeln und Pusteln um Nase und Mund

Eine Mundrose ist nicht zu übersehen: Sie sitzt mitten im Gesicht und wird von den Betroffenen deshalb als überaus störend empfunden. Meist bilden sich die Papeln und Pusteln rund um den Mund (lateinisch „perioral“), weshalb die Erkrankung medizinisch „Dermatitis (für Hautentzündung) perioralis “ heißt. Manchmal sind aber auch die Bereiche neben der Nase oder den Augen betroffen. Bei schwerer Ausprägung verbreiten sich die Hauterscheinungen sogar bis hinter die Ohren oder unter das Kinn.

Die Papeln der Mundrose sind rötliche und wenige Millimeter große Knötchen, die unter der meist geröteteten, geschwollenen oder geschuppten Haut sitzen. Zu den Papeln gesellen sich gern Pusteln, d.h. kleine Hohlräume, die manchmal auch mit Eiter gefüllt sind. Ganz typisch für die Erkrankung ist der weiße Randsaum um den Mund. Er entsteht dadurch, dass um das Lippenrot herum ein etwa zwei Millimeter breiter Streifen von den Papeln verschont bleibt. Leider kann man die Mundrose nicht nur sehen, sondern auch spüren: Die betroffene Haut spannt und brennt, und manchmal juckt sie auch.

Was die Mundrose verursacht, ist unklar. Wichtigster Faktor ist wahrscheinlich eine Hautreizung durch übermäßigen Gebrauch von Hautpflegeprodukten, Kosmetika oder Sonnenschutzmitteln. Dadurch wird ein Teufelskreis ausgelöst: Die Pflegeprodukte stören die Hautbarriere, was letztlich zu einer Entzündungsreaktion führt. Dem versuchen die Betroffenen mit vermehrter Hautpflege entgegenzuwirken – und verstärken die Reizung und damit die Beschwerden weiter.

Frauen zwischen 16 und 45 Jahren sind besonders gefährdet, an Mundrose zu erkranken. Denn vor allem diese Altersgruppe greift häufig zu Hautpflegeprodukten und Kosmetika. Bei Stewardessen und Mannequins ist die Mundrose fast schon eine „Berufskrankheit“. deshalb ist sie auch unter dem Namen Stewardessen- oder Mannequinkrankheit bekannt. Neben einem Zuviel an Kosmetika soll aber auch eine allergische Veranlagung die Mundrose begünstigen.

Meist verläuft die Erkrankung schubweise über mehrere Monate. Mal blüht sie mehr auf, mal wird sie weniger. Das hängt auch von äußeren Faktoren ab: Sonnenlicht etwa verstärkt die die Beschwerden oft. Und in Coronazeiten triggern Mund-Nasen-Masken die Mundrose.

Hinweis: Auch Kortison kann eine Mundrose auslösen. Die Erkrankung tritt gar nicht so selten nach der Behandlung von Gesichtsekzemen mit Kortisoncremes auf.

Ist es überhaupt eine Mundrose?

Ob es sich bei den störenden Papeln tatsächlich nur um eine Mundrose handelt, muss die Hautärzt*in entscheiden. Meist reichen Krankengeschichte und das Erscheinungsbild mit dem typischen Randsaum aus, um die Mundrose von anderen, ähnlich aussehenden Krankheiten abzugrenzen. Dazu gehören beispielsweise

  • Rosazea. Hier findet man meist zusätzlich erweiterte und geplatzte Äderchen und vergrößerte Talgdrüsen.
  • Neurodermitis (atopisches Ekzem). Hier überwiegt der Juckreiz und meist wird die Erkrankung bei Pollenflug oder Tierhaarkontakt schlimmer.
  • Milbenbefall. Der ist in der Regel nur einseitig, außerdem lassen sich winzige Milbengänge erkennen.
  • Lippenleckekzem. Hier reichen die nässenden Hautveränderungen bis an das Lippenrot heran. Außerdem sind meist Säuglinge oder Kleinkinder mit bekannter Neurodermitis betroffen.
  • Seborrhoisches Ekzem. Dabei dominieren gelblich-fettige Schuppen, zudem tritt die Erkrankung meist auch an den Augenbrauen und am Kopf auf.

Hinweis: Nur in seltenen Fällen ist es erforderlich, eine Gewebeprobe aus der befallenen Haut zu entnehmen und diese unter dem Mikroskop zu untersuchen.

Stufentherapie nach Schweregrad

Steht die Diagnose, misst die Ärzt*in den Schweregrad der Erkrankung mit einem speziellen Score, dem PODSI. Bewertet werden dabei Hautrötung, Papeln und Schuppung in 0,5-er Schritten von 0 (nicht vorhanden) bis 3 (stark ausgeprägt). Zählt man die Punkte zusammen, ergibt sich der Gesamtwert und damit der Grad der Mundrose. Bei Werten von 0,5–2,5 spricht man von einer leichten Mundrose, bei 3–5,5 Punkten handelt es sich um eine mittelschwere, bei 6-9 um eine schwere Form. Der Schweregrad ist wichtig für die Therapie, die in Stufen erfolgt:

  • leichte Mundrose: Nulltherapie (1. Stufe)
  • mittelschwere Mundrose: Nulltherapie plus Lokalbehandlung mit Salben, Gelen oder Cremes (2. Stufe)
  • schwere Mundrose: Nulltherapie plus Lokalbehandlung plus Einnahme von Tabletten (3. Stufe).

Hinweis: Mit dem PODSI lässt sich auch der Therapieerfolg prüfen. Bessert sich der Wert nach drei Wochen Behandlung nicht, wird die nächst höhere Therapiestufe empfohlen.

1.Stufe: Nulltherapie Nulltherapie heißt tatsächlich, alle Kosmetika zu meiden. Dazu gehören Hautpflegeprodukte, Peelings, Masken, Make-up und tönende Cremes genauso wie Parfüm und sogar Raumdüfte. Einfach „nichts“ zu tun ist für die Betroffenen oft eine besondere Herausforderung. Trotzdem sollte man sich daran halten, denn nur dann besteht Aussicht auf Erfolg. Allerdings braucht man eine gehörige Portion Geduld: die Abheilung dauert im Regelfall mehrere Wochen.

Für die Reinigung der Gesichtshaut empfehlen Hautärzt*innen, nur klares, lauwarmes Wasser zu verwenden. Nützlich ist dabei ein Mikrofasertuch. Wer gar nicht auf eine Waschsubstanz verzichten möchte, kann statt zur Seife zu einem Syndet greifen. Diese waschaktiven Substanzen werden chemisch hergestellt, haben einen günstigeren pH-Wert und lösen seltener Allergien aus. Bei der Auswahl des geeigneten Präparates hilft Ihre Apotheker*in gerne.

Um die gestresste Haut nicht zusätzlich zu reizen, darf sie nach dem Waschen nur vorsichtig trockengetupft werden. Sind die Spannungsgefühle sehr stark, können Schwarzteeumschläge helfen. Dazu tränkt man Kompressen mit schwarzem Tee (stark aufgebrüht, aber abgekühlt!) und legt sie mehrmals täglich für 10 bis 15 Minuten auf die Haut.

Ist trotzdem noch eine Pflege erforderlich, sind nur einzelne, gut verträgliche medizinische Hautpflegemittel erlaubt. Sie müssen komplett frei von Emulgatoren, Duft-, Farb- und Konservierungsstoffen sein. Solche Produkte sind in der Apotheke erhältlich, hier gibt es auch Rat, welches für Sie am besten geeignet ist.

Zusätzlich ist es wichtig, die Gesichtspartie vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Weil Sonnenschutzmittel die Mundrose triggern können, sind diese natürlich verboten. Stattdessen heißt es Sonne meiden oder eine weiche, nicht reizende Mund-Nasen-Maske tragen.

Hinweis: Bei der Nulltherapie kann sich das Hautbild zuerst verschlechtern. Davon sollte man sich nicht entmutigen lassen – denn nur durch die Kosmetikaabstinenz kann sich die Haut dauerhaft regenerieren.

Zweite Stufe mit Lokalbehandlung

Bei mittelschwerer Mundrose (PODSI 3–5,5) kommen lokal Salben, Gele oder Lösungen zum Einsatz. Das Gleiche gilt, wenn bei leichter Mundrose die Nulltherapie nicht greift. Drei Wirkstoffe werden dabei am häufigsten verwendet: Die Antibiotika Metronidazol als Gel und Erythromycin als Lösung oder der Immunmodulator Pimecrolimus als Salbe. Bei all diesen verschreibungspflichtigen Präparaten sind Nebenwirkungen zu beachten. So ist zum Beispiel bei Metronidazol ein guter UV-Schutz wichtig, weil das Präparat sonst an Wirksamkeit verliert. Alle können zudem Hautirritationen und Kontaktallergien auslösen.

Bevor bei Nicht-Ansprechen der oben genannten Wirkstoffe die Stufe-3-Therapie gewählt wird, verordnen die Ärzt*innen manchmal auch Azelainsäure, Ichthyol oder eine Photodynamische Therapie mit 4-Aminolävulinsäure. Diese Wirkstoffe haben in kleineren Studien gute klinische Effekte gezeigt. Allerdings können sie auch eine Reihe unerwünschter Wirkungen auslösen. Ob sie generell als Therapie empfohlen werden können, müssen größere Studien noch zeigen.

Hinweis: Auf keinen Fall sollten Betroffene eine Selbsttherapie mit Kortisoncremes starten. Kortison bessert wegen seinem antientzündlichen Effekt zwar scheinbar zunächst das Hautbild. Weil es die Hautbarriere jedoch stark beeinträchtigt kehren die Symptome bald zurück – und zwar meist noch schlimmer als zuvor. Nicht umsonst gilt eine Kortisontherapie auch als Trigger, also Auslöser, für die Mundrose.

Stufe 3: Therapie von innen

Bei schwerer Mundrose mit dunkelroter Haut, vielen roten, in Gruppen stehenden Papeln und ausgeprägter Schuppung reicht die äußere Behandlung oft nicht aus. Dann verschreiben die Ärzt*innen Medikamente zum Einnehmen, etwa Antibiotika oder den Vitamin-A-Abkömmling Isotretinoin.

Bei den Antibiotika stehen für Kinder ab 8 Jahren und Erwachsene z. B. Doxycyclin und Minocyclin zur Auswahl. Für kleinere Kinder und in der Schwangerschaft kommen Makrolide zum Einsatz. Wichtig ist es, die Tabletten nach der ärztlichen Verordnung regelmäßig einzunehmen.

Das Vitamin-A-Säure-Derivat Isotretinoin ist ein starker Wirkstoff, der aber leider zahlreiche Nebenwirkungen hat. Deshalb sind während der Einnahme regelmäßig Blutbild und Leberwerte zu kontrollieren. Auch die Psyche leidet manchmal unter dem Medikament: Bei einigen Patient*innen löst Isotretinoin Aggressivität, Angst, Stimmungsschwankungen oder Depressionen aus.

Hinweis: Isotretinoin ist in der Schwangerschaft absolut tabu, da es das ungeborene Kind im Mutterleib schwer schädigt. Gebärfähige Frauen, die Isotretinoin benötigen, müssen deswegen unbedingt sicher verhüten – und zwar im gesamten Zeitraum von einem Monat vor Therapiebeginn bis einen Monat nach Therapieende.

Vorbeugen ist besser als heilen

Die Behandlung einer Mundrose ist langwierig. Die beste Therapie ist deshalb vorbeugen. Wichtig ist vor allem eine gut verträgliche, reizfreie Hautpflege . Je weniger Inhaltsstoffe eine Creme oder Waschlotion hat, desto besser. Für empfindliche Haut besonders geeignete Pflegeserien gibt es in der Apotheke, dort erhält man auch Proben, um die Verträglichkeit zu testen. Außerdem empfiehlt es sich, der Haut immer wieder Zeiten ohne Make-up zu gönnen. Wer dann noch Peelings, mechanische Manipulationen an der Gesichtshaut oder aggressive Masken meidet, hat gute Chancen, von der Mundrose verschont zu bleiben.

Quellen: DAZ 2020, Nr. 8, S. 32, www.amboss.de

| Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bildrechte: Javier Brosch/Shutterstock.com
Kampf der Gürtelrose!

Kampf der Gürtelrose!

Gegen Schmerzen, Juckreiz, Krusten

Mit Ausschlag, Kribbeln, Jucken und Schmerzen kann eine Gürtelrose ganz schön unangenehm werden. In jedem zehnten Fall drohen sogar langfristige Nervenschmerzen, die Schlaf und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Lesen Sie, wo die Gürtelrose herkommt, wie sich akute und chronische Beschwerden am besten behandeln lassen und wie man sich mit der Zosterimpfung schützt.

Viren auf Wanderschaft

Plötzliche Schmerzen und ein roter, gürtelförmiger Ausschlag am Rumpf —die Symptome einer Gürtelrose sind leicht zu erkennen. Verantwortlich für den Spuk ist das Windpocken- oder Varizellenvirus (lateinisch Varizella-Zoster-Virus). Es gehört zu der Gruppe der Herpesviren, weshalb die Erkrankung medizinisch auch Herpes zoster genannt wird.

Das Varizellenvirus hat ganz besondere Eigenschaften. Infiziert man sich damit, erkrankt man zunächst an Windpocken. Nach dem Abheilen des juckenden Ausschlags verschwinden die Viren aber nicht. Stattdessen wandern sie in bestimmte Nervenzellen, die Ganglienzellen von Hirn- oder Spinalnerven. Dort lassen sie sich lebenslang nieder – in Schach gehalten vom körpereigenen Immunssystem. Schwächelt das Immunsystem, werden die Viren reaktiviert und befallen den Körper „von innen“ erneut. Geschwächt wird das Immunssystem z. B. durch

  • seelischen und körperlichen Stress
  • normale Alterungsprozesse
  • immunsuppressive Therapien, also Therapien die das Immunsystem gezielt unterdrücken (z. B. zur Behandlung von Krebs oder einer rheumatoiden Arthritis)
  • Immunerkrankungen, z.B. eine HIV-Infektion.

Manchmal tritt die Gürtelrose aber auch auf, ohne dass sich ein spezieller Grund dafür feststellen lässt.

Die typische Gürtelrose

Werden die Viren reaktiviert, wandern sie die Nervenfaser entlang in Richtung Körperoberfläche. Am häufigsten geschieht das im Bereich von Brustkorb und Rumpf. Auf der Haut lösen sie dann einen gürtelförmigen Ausschlag mit gleichförmigen Papeln und Bläschen auf rotem Grund aus. Zum charakteristischen Muster des Ausschlages kommt es, weil die Viren sich nicht frei, sondern entlang der Nervenfaser ausbreiten. Diese Nervenfasern sind wiederum gürtelförmig, also quer von der Wirbelsäule bis zur Vorderseite angeordnet. Der gürtelförmige Ausschlag ist so typisch, dass meist keine weitere Diagnostik erforderlich ist. Im Zweifel lassen sich die Viren aber auch durch Laboruntersuchungen von Blut oder Hirnflüssigkeit nachweisen.

Manchmal macht sich die Gürtelrose schon vor dem Hautausschlag durch Kribbeln oder Taubheitsgefühl bemerkbar. Ist sie voll erblüht, leiden die Erkrankten je nach Ausmaß unter

  • Fieber und starkem Krankheitsgefühl
  • Wundschmerzen im Bereich des Ausschlags
  • Nervenschmerzen im Bereich des befallenen Nervens, z. B. starke Missempfindungen (Ameisenlaufen, Juckreiz) und bohrende oder stechende Schmerzen.

Normalerweise heilt der Ausschlag innerhalb von zwei bis vier Wochen folgenlos aus. Bei jeder zehnten Patient*in dauern Schmerzen und Missempfindungen jedoch auch nach Abheilen des Hautausschlags an oder flackern nach einem beschwerdefreien Intervall wieder auf. In diesen Fällen spricht man von der Post-Zoster-Neuralgie. Deren Prognose ist nicht besonders gut: Bei einem Drittel der Betroffenen greift die Schmerztherapie nicht, und manche haben lebenslang mit den Beschwerden zu kämpfen (mehr dazu siehe unten).

Hinweis: Achtung, ansteckend! In den Bläschen des Ausschlags befinden sich massenweise Varizellenviren. Gürtelrose-Patient*innen können durch Schmierinfektionen andere infizieren. Ganz besonders gefährdet sind Schwangere, die noch keine Windpocken hatten. Bei einer Infektion kann das ungeborene Kind schwer geschädigt werden. Um jede Ansteckung zu vermeiden sollte der Ausschlag bis zum Abheilen gut abgedeckt (passende Pflaster dafür gibt es in der Apotheke) und der Kontakt zu Ungeimpften bzw. noch nicht an Windpocken Erkrankten vermieden werden.

Zoster in Ohr und Auge

Neben der typischen Gürtelrose gibt es auch andere Formen des Herpes zoster. Besonders unangenehm wird es, wenn die Varizellen in den Ganglienzellen der Hirnnerven sitzen und dort reaktiviert werden. Dann wandern sie die Nervenfasern entlang in Richtung Kopfhaut vor. Ist der Trigeminalnerv betroffen, kommt es zu einem Zoster ophthalmicus mit Ausschlag und Schmerzen im Bereich von Stirn, Nasenwurzel und Nasenrücken, meist begleitet von Fieber und einem starken Krankheitsgefühl. Es droht die Infektion des Auges mit Bindehautentzündung, Hornhautentzündung, Augenmuskellähmung und sogar der Gefahr der Erblindung. Ein Befall der Nerven, die für das Ohr zuständig sind, macht sich als Zoster oticus mit Ohrenschmerzen, Hörminderung, Schwindel und schmerzhafte Bläschen am Gehörgang bemerkbar.

Schwerste Formen des Herpes zoster sind der Befall des Gehirns (Zoster-Enzephalitis) oder die Ausbreitung der Varizellenviren über den gesamten Körper inklusive innerer Organe (Zoster generalisatus). Diese lebensbedrohlichen Varianten kommen bei Menschen vor, deren Immunsystem sehr geschwächt ist.

Hinweis: Eine weitere seltene Sonderform des Herpes zoster ist der „Zoster sine herpete“. Hier leiden die Betroffenen unter heftigen Schmerzen in einem Dermatom, es fehlt aber der typische bläschenförmige Ausschlag.

Wen kann es treffen?

Jeder, der einmal an Windpocken erkrankt war, beherbergt die Viren und kann Monate, Jahre oder Jahrzehnte später an einer Gürtelrose oder einer anderen Form des Herpes zoster erkranken. Allerdings steigt das Risiko mit dem Alter, weil das Immunsystem dann allgemein weniger gut arbeitet. Ab 50 ist jedoch nicht nur die Gefahr einer Virusreaktivierung erhöht. Auch die Schwere der Erkrankung nimmt zu.

Doch nicht nur durchgemachte Windpocken lassen eine Gürtelrose erblühen. Auch Menschen, die gegen Windpocken geimpft wurden, können an einem Herpes zoster erkranken. Denn das abgeschwächte Impfvirus zieht sich ebenso wie das „echte“ Virus in Ganglienzellen der Spinal- oder Hirnnerven zurück. Weil das Impfvirus sich jedoch weniger leicht reaktivieren lässt als sein natürlicher Verwandter tritt ein Zoster nach Impfung sehr selten auf. Und kommt es doch einmal dazu, verläuft die Erkrankung deutlich milder als der Herpes zoster durch das echte Virus.

Akut gegen Virus, Schmerz und Krusten

Die normale Gürtelrose ist zwar unangenehm, hat aber eine relativ gute Prognose. Etwa 70–80% der Fälle heilen mithilfe der passenden Therapie folgenlos aus. Diese ruht auf drei Säulen: Die Viren zu bekämpfen, Schmerzen und Juckreiz einzudämmen und das Abheilen der Bläschen zu fördern.

Antivirale Medikamente. Mit ihnen wird der Verlauf der Erkrankung abgemildert und die Ansteckungsgefahr reduziert. Deshalb wird auf die antivirale Therapie nur bei sehr leichten Verläufen darauf verzichtet. Zwingend erforderlich ist sie bei

  • Patient*innen über 50 Jahren
  • Zoster im Kopfbereich
  • stark ausgeprägtem Zoster, z. B. beim Befall mehrerer Dermatome am Rumpf
  • kompliziertem Verlauf
  • Immunschwäche.

Zum Einsatz kommen die Wirkstoffe Aciclovir, Valaciclovir, Famcicluvir und Brivudin. Je nach Präparat werden die antiviralen Medikamente drei- bis fünfmal täglich als Tabletten eingenommen. In schweren Fällen gibt man sie auch intravenös. Dies ist bei Zoster ophthalmicus oder Zoster oticus der Fall. Hier kombinieren die Ärzt*innen das Virostatikum auch oft mit Kortison, um das Risiko für gefährliche Komplikationen wie Seh- oder Hörverlust zu reduzieren.

Schmerztherapie. Der entzündliche Ausschlag verursacht oft unangenehme Wundschmerzen. Diesen begegnet man mit entzündungs- und schmerzlindernden Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Paracetamol. Bei sehr starken Schmerzen kommen auch Opioide zum Zug, beispielsweise Oxycodon-Tabletten oder intravenös verabreichtes Morphin.

Ist der Nerv angegriffen, entwickeln sich zusätzlich neuropathische Schmerzen. Sie reichen von Kribbeln oder Taubheitsgefühl bis zum ausgeprägten Brennen, Bohren oder Stechen. Hier können Wirkstoffe helfen, die auch bei der Post-Zoster-Neuralgie eingesetzt werden, so zum Beispiel Gabapentin, Pregabalin oder auch das Antidepressivum Amitryptilin.

Lokaltherapie. Die lokale Therapie fördert die Abheilung und reduziert das Risiko einer bakteriellen Infektion des Ausschlags. Polihexanid-Gele beispielsweise wirken antiseptisch und helfen, die Verkrustungen zu lösen. Lösungen aus Polihexanid oder Octenidin sind ebenfalls antiseptisch und lindern Schmerzen und Missempfindungen durch ihren kühlenden Effekt. Synthetische Gerbstoffe verringern ebenfalls den Juckreiz und lassen die Läsionen abtrocknen.

Hinweis: Zur lokalen Therapie keine Schüttelmixtur mit Zink verwenden! Diese lindert zwar den Juckreiz, fördert jedoch neuen Untersuchungen zufolge eine bakterielle Infektion der Läsionen. Außerdem lässt sich unter der weißlichen Schicht das Abheilen des Ausschlags nicht gut kontrollieren.

Wenn die Post-Zoster-Neuralgie zubeißt

In etwa 10% der Fälle entwickeln die Betroffenen eine Post-Zoster-Neuralgie. Dabei bleiben die Nervenschmerzen länger als vier Wochen bestehen, obwohl der Hautausschlag längst abgeklungen ist. Manchmal entwickeln sie sich aber auch erst nach einem beschwerdefreien Intervall. Typisch sind Missempfindungen und starke brennende, bohrende oder stechende Schmerzen. Oft ist die Region auch besonders berührungsempfindlich, was beispielsweise das Scheuern von Gürteln oder BH-Trägern unerträglich machen kann.

Die Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie ist kompliziert, oft müssen verschiedene Wirkstoffe probiert und kombiniert werden. Etwa 30% der Patient*innen werden auch durch intensive Maßnahmen nicht schmerzfrei. Zum Einsatz kommen

  • Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle) wie Gabapentin, Pregabalin
  • Antidepressiva wie Amitryptilin
  • Opioide wie Tramadol oder Morphin
  • Lidocain-Pflaster
  • Pflaster mit Capsaicin
  • als Ersatzmedikamente Carbamazepin oder Duloxetin.

Wenn die Hautempfindlichkeit des betroffenen Dermatoms intakt ist, empfehlen manche Ärzt*innen auch die Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Die elektrische Stimulation des betroffenen Gebietes verursacht (gewünschte) Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl, wodurch die Schmerzempfindung selbst verringert wird. Daneben können auch andere Verfahren der physikalischen Therapie, z. B. Kälte- oder Wärmeanwendungen helfen, die Beschwerden der Post-Zoster-Neuralgie abzumildern.

Hinweis: Eine Post-Zoster-Neuralgie kann psychisch sehr belastend sein. In manchen Fällen sind Verhaltens- oder Psychotherapien hilfreich, um besser mit den chronischen Schmerzen umzugehen.

Stärkste Waffe: Impfung

Ein besonders starkes Mittel gegen die Gürtelrose und ihre Komplikationen ist die Zosterimpfung. Es gibt sie mit einem abgeschwächten Virus als Lebendimpfstoff und als Totimpfstoff. Letzterer soll effektiver sein und einen längeren Impfschutz bieten, weshalb dieser von der STIKO vorgezogen wird. Sie empfiehlt die Zosterimpfung mit dem Totimpfstoff

  • allen Personen über 60
  • Menschen ab 50 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster haben (z.B. aufgrund einer immunsuppressiven Therapie oder einer Grunderkrankungen wie Diabetes, COPD, oder rheumatoider Arthritis).

Die Impfung erhöht die zelluläre Immunabwehr und unterstützt dadurch den Körper, die in den Nervenzellen sitzenden Varizellenviren weiter in Schach zu halten.

Für einen vollständigen Schutz sind zwei Impfungen mit einem Abstand von zwei bis sechs Monaten erforderlich. Ob eine Auffrischung nötig ist, wird noch diskutiert. Bis jetzt gehen die Expert*innen davon aus, dass Geimpfte etwa zehn Jahre lang vor einer Gürtelrose bewahrt werden.

Hinweis: Die Zoster-Impfung verträgt sich gut mit anderen Impfungen. Auch eine Covid-19-Impfung ist kein Grund, darauf zu verzichten. Zur Sicherheit empfiehlt die STIKO bei der Zoster-Impfung lediglich, vor und nach der Covid-19-Impfung 14 Tage Abstand einzuhalten.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 18, S. 38; RKI

| Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bildrechte: Rawpixel.com/shutterstock.com
Hausapotheke in Schuss halten

Hausapotheke in Schuss halten

Richtig lagern, richtig bestücken

Abgelaufene Schmerzmittel, angebrochenes Schnupfenspray und ein Wirrwarr an Pflastern und Verbänden – aber das dringend nötige Durchfallmedikament ist nirgends zu finden? Dann ist es dringend Zeit für einen Hausputz in Ihrer Hausapotheke. Was prinzipiell hineingehört und worauf man beim Lagern achten muss, erfahren Sie in diesem Ratgeber.

Basisausstattung: Von Schmerzmittel bis Zeckenzange

In wohl jedem Haushalt gibt es zumindest eine kleine Hausapotheke. Dort findet sich im besten Fall eine Auswahl an Medikamenten gegen Schmerz, Fieber, Erkältung und Durchfall. Aber auch Mittel zur Wundversorgung dürfen nicht vergessen werden. Im Einzelnen sollten deshalb folgende Utensilien und Medikamente an Bord einer Hausapotheke sein:

Unverzichtbar für die Wundversorgung sind:

  • Desinfektionsmittel wie Povidon-Jod oder Octenidin, zum Sprühen oder als Lösung
  • Dexpanthenol-Salbe zur Förderung der Wundheilung
  • Zinkoxidsalben zur Behandlung nässender Wunden
  • Pflaster verschiedener Größen
  • steril verpackte Kompressen, Mullbinden und Rollenpflaster, um diese zu fixieren
  • Pinzette, Zeckenzange, Schere
  • Kühlpackungen – die gehören allerdings nicht in das Apothekenschränkchen, sondern in die Tiefkühltruhe.

Um gegen Durchfall gewappnet zu sein, dürfen folgende Arzneimittel nicht fehlen:

  • Elektrolytmischungen für die orale Rehydrierung, d.h., zum Auffüllen des über den Darm verlorenen Wassers. Dafür gibt es Pulver zum Anrühren sowohl für Säuglinge und Kleinkinder als auch für Erwachsene.
  • Loperamid zum kurzfristigen Bremsen starken Durchfalls.

Gegen Schmerzen, Fieber und Erkältung sollte man immer folgende rezeptfreie Waffen parat haben:

  • Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Mittel gegen Halsschmerzen
  • Nasentropfen oder -sprays zum Freimachen verstopfter Nasen
  • Mittel gegen Husten, z. B. Dextrometorphan oder pflanzliche Hustenpräparate
  • Fieberthermometer. Ohrthermometer eignen sich erst für Kinder ab 6 Monaten, vorher sollte die Temperatur rektal gemessen werden. Von Stirn- und Schläfenthermometern wird abgeraten, da sie oft ungenau messen.

Tipp: Moderne digitale Thermometer benötigen oft Knopfzellen und ihr Batteriefach ist gar nicht so leicht zu öffnen. Machen Sie sich damit vertraut und halten Sie Ersatzbatterien bereit, damit Sie im Notfall immer ein funktionstüchtiges Thermometer parat haben.

Weitere Kandidaten für die Hausapotheke

Gibt es in der Familie gesundheitliche Probleme, die immer wieder auftauchen? Dann sollte man auch die Hausapotheke entsprechend anpassen. Beispiele sind Salben gegen Lippenherpes oder gegen Juckreiz nach Insektenstichen, Antihistaminika-Tabletten gegen Heuschnupfen, Mittel zur Linderung von Sodbrennen oder Augentropfen zur Behandlung trockener oder gereizter Augen.

Die allermeisten Medikamente für Erwachsene sind nichts für Kinder. Gehören Babys und Kleinkinder zum Haushalt, muss die Hausapotheke unbedingt Arzneien bereithalten, die für diese Altersgruppe geeignet sind:

  • Erkältungsbalsam für Kleinkinder
  • Fieberzäpfchen, rektales Thermometer
  • Nasenspray auf Kochsalzbasis
  • Für Kinder und Säuglinge geeignete Elektrolytlösungen
  • Mittel gegen Zahnbeschwerden
  • Antihistamin-Gel gegen Sonnenbrand und Insektenstiche.

Nicht vergessen: Nicht nur Medikamente und Instrumente sind Bestandteile einer Hausapotheke. Auf den ersten Blick sichtbar sollte eine Liste mit allen Telefonnummern sein, die man im medizinischen Notfall braucht. Obenan die 112, dazu die Telefonnummern von der Hausarztpraxis, der Stammapotheke, des ärztlichen und zahnärztlichen Bereitschaftsdienstes und des regionalen Giftnotrufs (alle Notrufnummern sind unter www.dastelefonbuch.de/Notruf zu finden).

Hinweis: Verschreibungspflichtige Medikamente, wie z. B. Mittel gegen hohen Blutdruck oder Schmerzmittel auf Opioidbasis, haben in der Hausapotheke nichts zu suchen. Zu leicht kommt es zu Verwechslungen. Diese Medikamente bewahrt man am besten an einem abschließbaren und besonders für Kinder unzugänglichem Ort auf.

Küche und Bad sind ungeeignet

Medikamente werden besonders oft im Badezimmerschrank oder in der Küchenschublade gelagert. Doch Vorsicht, beide Orte sind nicht geeignet zum Aufbewahren der Hausapotheke. Denn Luftfeuchtigkeits- und Temperaturschwankungen sind schädlich für Medikamente und können dazu führen, dass sie ihre Wirkung verlieren. Der optimale Platz für die Hausapotheke ist kühl, trocken und dunkel. Deshalb sind Flur, Abstellkammer und Schlafzimmer meist besser als Standort geeignet.

Nicht nur für den Ort, auch für den Umgang mit der Hausapotheke gibt es nützliche Tipps. Zur besseren Übersichtlichkeit sollten Arzneimittel immer mit Umverpackung aufgehoben werden. Hilfreich ist, das Anwendungsgebiet auf die Packung zu schreiben und die Arzneimittel danach zu sortieren, dann muss man im Zweifel nicht lange danach suchen.

Aus diesem Grund sollte man auch das Verfallsdatum groß auf die Umverpackung schreiben. Augentropfen und andere flüssige Arzneien dürfen nach Anbruch oft nur wenige Wochen verwendet werden. Wer beim Anbruch das Ablaufsdatum gleich berechnet und auf der Packung notiert, erkennt schneller, wie lange die Arznei „gut“ ist. Am einfachsten ist es angebrochen Fläschchen, Salben und Sprays nach Beendigung der Behandlung gleich zu entsorgen.

Ebenso ist es nützlich, Beipackzettel immer gemeinsam mit dem Präparat in der Originalverpackung aufzuheben. Dann sind im Falle eines Falles alle wichtigen Informationen gleich zur Hand. Fehlt ein Beipackzettel, findet man ihn meist im Internet, z.B. über die Beipackzettelsuche auf www.apotheken.de oder man lässt ihn sich in seiner Apotheke ausdrucken.

Hinweis: Vor allem wenn Kinder oder Demente im Haushalt wohnen, sollte die Hausapotheke abschließbar sein. Am besten bewahrt man Medikamente in einem speziell dafür hergestellten Arzneimittelschränkchen auf.

Hausputz in der Hausapotheke

Einmal im Jahr muss auch in der Hausapotheke zum Hausputz geblasen werden. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob noch alle notwendigen Medikamente und Materialien in ausreichender Menge vorhanden sind. Außerdem ist das Verfallsdatum zu kontrollieren.

Prinzipiell gelten diese Angaben für ungeöffnete Arzneimittel, aber auch für Tabletten in Blisterverpackungen. Angebrochene Tropfen, Cremes oder Lösungen dürfen nur so lange verwendet werden, wie es in den Packungsbeilagen aufgeführt wird (siehe oben).

Abgelaufene Arzneimittel sind fachgerecht zu entsorgen. Dazu steckt man die Medikamente am besten in einen blickdichten Plastiksack, knotet diesen gut zu und wirft ihn in den Restmüll. Dieser wird dann entweder verbrannt oder mechanisch-biologisch vorbehandelt und in Deponien gelagert. Eine Alternative ist Ihre Apotheke: Viele Apotheker*innen bieten den Service an, abgelaufene Medikamente entgegenzunehmen. In manchen Gemeinden gibt es dafür auch spezielle Sammelstellen.

Hinweis: Auf keinen Fall dürfen Sie Pillen, Tropfen oder andere Arzneien das Waschbecken oder die Toilette hinunterspülen. So gelangen die Wirkstoffe in den Wasserkreislauf und schaden Mensch und Natur.

Medikamente auf der Reise

Auch auf Reisen ist eine medizinische Grundausstattung nützlich. Wie diese aussieht, hängt davon ab, wie lange man unterwegs ist und ob man in zivilisierte oder entlegene Gegenden aufbricht. Auch die Transportart ist entscheidend: Bei Autoreisen hat man verbandstechnisch schon alles im gesetzlich vorgeschriebenen Verbandskasten – vorausgesetzt, dieser entspricht der Norm (DIN 13164) und wird jährlich kontrolliert und gegebenenfalls ausgetauscht.

Im Flieger will gut überlegt sein, was mit an Bord und was ins restliche Gepäck kommt. Klar, dass Arzneien, die unmittelbar benötigt werden, immer im Handgepäck mitreisen müssen. Wer zu Lippenherpes neigt, sollte seine Creme dabeihaben, wer Nasentropfen gegen den Druckausgleich braucht, eben diese. Regelmäßig einzunehmende Medikamente sind ebenfalls im Handgepäck zu verwahren – inklusive Notreserve, denn Hauptgepäcksstücke gehen ja auch immer mal verloren.

Neben regelmäßig einzunehmenden Medikamenten wie Blutdruckmittel oder Antibaby-Pille sollte auch eine abgespeckte Basisausstattung der Hausapotheke auf Reisen dabei sein. Dazu zählen Schmerz-, Fieber- und Erkältungsmittel sowie Präparate gegen Durchfall. Und je nach Reiseland und individuellen Gegebenheiten sind noch folgende Präparate empfehlenswert:

  • Mittel gegen Reiseübelkeit
  • Mildes Abführmittel
  • Sonnenschutz, Repellentien gegen Insektenstiche
  • Augentropfen gegen gereizte und trockene Augen
  • Antiallergika, Präparate gegen Lippenherpes
  • Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe, evtl. sterile Kanülen und Spritzen
  • Fieberthermometer
  • Silbernitrattabletten zum Desinfizieren von Wasser
  • Malariatabletten.

Tipp: Sorgen Sie dafür, dass bei allen mitgeführten Medikamenten der Beipackzettel noch dabei ist und achten Sie darauf, dass die Präparate nicht abgelaufen sind.

Quelle: DAZ 2018, Nr. 9, S. 58

| Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bildrechte: Pressmaster/Shutterstock.com
ADHS wirksam behandeln

ADHS wirksam behandeln

Von Elterntraining bis Medikament

Unaufmerksamkeit, Zappligkeit und Impulsivität machen Kindern und Erwachsenen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) das Leben schwer. Die Folgen für Ausbildung, Beruf und soziale Beziehungen sind häufig gravierend. Doch wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, lässt sich mit psychotherapeutischen Maßnahmen und Medikamenten gegensteuern.

Verkehrsunfälle, Scheidungen und Depressionen häufig

Eine ganze Zeit lang gab es einen regelrechten Hype um die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Bei Kindern, die in der Schule nicht mitkamen, herumzappelten statt konzentriert lernten oder sonst anstrengend waren, wurde oft vorschnell eine ADHS vermutet und nach Medikamenten gerufen. Zum Glück ist nicht jeder Zappelphillipp ein ADHS-Kind. Wer jedoch nachgewiesenermaßen unter der Erkrankung leidet (und das sind immerhin knapp 4% der Kinder und Jugendlichen), muss mit Auswirkungen auf sein gesamtes Leben rechnen.

So ist bei Kindern mit ADHS das Unfallrisiko um 400% erhöht, weil sie oft Gefahren nicht richtig einschätzen und ihre Handlungen weniger umsichtig planen. Die Konzentrationsstörungen führen dazu, dass die Leistungen in Schule und Ausbildung leiden. 35% der Jugendlichen mit ADHS haben deshalb keinen Schulabschluss . Aufgrund ihrer sozialen Probleme entwickeln viele ADHS-Kinder und -Teenager Depressionen oder fangen an, Drogen zu nehmen. Weitere häufige Auswirkungen sind Essstörungen sowie der Hang zu Selbstverletzung und riskantem sexuellen Verhalten.

Auch Erwachsene mit ADHS leiden unter den Folgen ihrer Erkrankung. Sie sind oft weniger leistungsfähig im Beruf und seltener fest angestellt. Dazu kommen eine höhere Scheidungsrate als Gesunde und vermehrte Verkehrs- und andere Unfälle. Depressionen und Angststörungen sind häufig, ebenso unerklärliche Erschöpfungszustände und Schmerzen. Viele Betroffene kämpfen mit Suchtproblemen. Diese reichen vom Kettenrauchen bis zur Kauf- oder Spielsucht.

ADHS-Hinweise bei Kindern erkennen

Je früher die Erkrankung erkannt und therapiert wird, desto besser sind die Chancen, trotz ADHS ein gutes Leben zu führen. Bei den folgenden drei Kardinalsymptomen sollten Eltern und Erzieher*innen deshalb aufmerksam werden:

  • Unaufmerksamkeit zeigt sich beispielsweise darin, dass das Kind leicht ablenkbar und vergesslich ist. Es fängt eine Aufgabe nach der anderen an und schafft es nicht, sie abzuschließen. Oft scheint es auch so, als könnte das Kind gar nicht richtig zuhören.
  • Typisches Zeichen der Hyperaktivität ist beispielsweise, dass das Kind in Situationen, in denen es nicht angebracht ist, ungebremst herumrennt und herumklettert. Es redet oft sehr viel, wirkt wie aufgezogen. Sitzt es auf dem Stuhl, rutscht es hin und her und fuchtelt mit den Händen herum.
  • Am schwierigsten für Familienmitglieder, Mitschüler*innen, Lehrer*innen oder Bekannte ist häufig die Impulsivität der ADHS-Kindern. Denn diese Kinder sind schnell ungeduldig, fallen anderen ins Wort und können oft nicht warten, bis sie an der Reihe sind. Manche Kinder sind rücksichtslos oder werden aggressiv, andere „stören“ nur.

Bei Jugendlichen verwandelt sich die äußerliche Hyperaktivität oft in eine innere Unruhe. Aufgrund massiver Konzentrationsstörungen schaffen es viele ADHS-Teenager in der Schule nicht, ihre Aufgaben fertig zu stellen. Probleme mit Mitschüler*innen sind häufig. ADHS-Jugendlichen fällt es schwer, soziale Beziehungen aufzubauen oder sich in Gruppen einzuordnen. Manche Betroffenen werden aggressiv, andere ziehen sich in sich zurück. Die meisten haben Schwierigkeiten, Frustrationen auszuhalten oder mit der eigenen Wut oder Ärger umzugehen.

Hinweis: Je nach Ausprägung der Beschwerden unterscheidet man zwischen dem hyperaktiv-impulsiven Typ und dem vorwiegend unaufmerksamen Typ. Allerdings kommen auch Mischformen vor.

So zeigt sich ADHS im Erwachsenenalter

Gut zwei Drittel der betroffenen Kinder nehmen ihre Erkrankung ins Erwachsenenalter mit. Manchmal wird die Störung auch erst dann diagnostiziert, z. B. wenn die Beschwerden milde sind oder nicht bemerkt, fehlgedeutet oder ignoriert wurden. Insgesamt geht man davon aus, dass etwa 1 bis 4 % der Erwachsenen in Deutschland von einer ADHS betroffenen sind. Auch bei ihnen macht sich die Erkrankung mit den drei Hauptkriterien Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität bemerkbar. Diese äußern sich folgendermaßen:

  • Lähmende „Aufschieberitis“, geringe Motivation, Konzentrationsschwierigkeiten bei der Arbeit, z. B. bei Konferenzen oder beim Lesen. Probleme beim Organisieren der Arbeit und des Alltags, schlechtes Zeitmanagement.
  • Innere Unruhe, Nervosität und Nicht-Warten-Können. Das Sitzen in Ruhe fällt schwer, stattdessen wird oft mit den Füßen gewippt oder mit den Fingern an etwas herumgespielt.
  • Ständiges Reden und Anderen-Ins-Wort-Fallen, zu schnelles und aggressives Autofahren, Probleme, Frustrationen auszuhalten und mit Ärger umzugehen. Dazu kommen Jähzorn, häufige Stimmungsschwankungen und überzogene emotionale Reaktionen auf Kleinigkeiten.

Hinweis: Neben allen problematischen, selbstgefährdeten Komponenten hat die Erkrankung auch positive Aspekte. Oft handelt es sich bei den Betroffenen um offene, kreative Menschen, die, wenn sie ihre passende Nische im Beruf gefunden haben, unschlagbar in ihrem Metier sind.

Wer stellt die Diagnose?

Wenn Kinder ein problematisches Verhalten zeigen, kommen die ersten Hinweise meist von den Eltern, den Kindergärtner*innen oder auch den Lehrer*innen. Dann ist es Zeit, die Kinderärzt*in um Rat zu fragen. Diese wird bei einem begründeten Verdacht eine Fachkolleg*in einschalten, z. B. eine Fachärzt*in für Kinder- und Jugendpsychiatrie (es sei denn, sie hat selbst die nötige Expertise für eine ADHS-Diagnose). Auch Psychologische Psychotherapeut*innen mit Zusatzqualifikationen sind geeignet, eine ADHS zu diagnostizieren.

Die Untersuchungen sind umfangreich. Meist füllen Eltern und Kind zunächst Fragebögen aus, auf deren Ergebnis dann ein ausführliches Gespräch aufgebaut wird. Bei einer gründlichen körperlichen Untersuchung wird auch das Sehen und Hören geprüft, um körperliche Ursache für die Aufmerksamkeits- oder Lernprobleme auszuschließen. Psychologische Tests runden die Diagnose ab. Zum Einsatz kommen vor allem altersentsprechende Konzentrationstests.

Im Erwachsenenalter werden noch nicht diagnostizierte Betroffene manchmal von Freunden oder Kollegen darauf hingewiesen, dass ihr Verhalten problematisch ist und eventuell mit ADHS zu tun haben könnte. Mancher kommt durch intensive Beschäftigung mit seinen Schwierigkeiten auch selbst darauf, dass seine sozialen Probleme oder Konzentrationsschwierigkeiten etwas mit ADHS zu tun haben könnten. Hilfreich sind dabei Selbsttests, die es im Internet gibt. Sie ersetzen natürlich nicht die Diagnose. Die erfolgt bei der Fachärzt*in, z. B. in der neurologischen oder der psychiatrischen Praxis. Grundlage der Diagnose sind auch bei Erwachsenen Fragebögen, das gründliche Gespräch, die körperliche Untersuchung und psychologische Tests.

Hinweis: Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen müssen im Rahmen der Diagnose andere Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden ausgeschlossen werden. Dazu gehören zum Beispiel Depressionen, Schilddrüsenüberfunktion, Schädel-Hirn-Verletzungen oder Epilepsien.

Wo kommt die Störung her?

Forscher*innen gehen davon aus, dass Veränderungen der zentralen Botenstoffe die Grundlage von ADHS bilden. D.h., es sind die Stoffe beteiligt, über die die Gehirnzellen miteinander kommunizieren. Wie es zu diesen Veränderungen kommt, ist allerdings noch unklar. Neueste Untersuchungen bekräftigen die Annahme, dass eine genetische Veranlagung das Risiko für ein ADHS erhöht. Aber auch Schwangerschaftsfaktoren oder Geburtskomplikationen sollen daran beteiligt sein – Genaues weiß man dazu allerdings noch nicht. Sicher ist jedoch, dass die Erkrankung maßgeblich durch Umweltfaktoren und psychosoziale Faktoren beeinflusst werden kann.

ADHS bei Kindern behandeln – aber wie?

Die Behandlung ist multimodal, d.h., sie besteht aus mehreren Bausteinen und wird individuell an die Beschwerden des Kindes angepasst. Zunächst ist es wichtig, Eltern und Kind über die Erkrankung aufzuklären. Ein Elterntraining soll helfen, mit dem problematischen Verhalten des Kindes besser umzugehen. Je nach Beschwerdebild bekommt das Kind psychologische Unterstützung. Meist wird eine Verhaltenstherapie begonnen, bei starken Aufmerksamkeitsstörungen auch ein Training zur Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit. Sind die Beschwerden nur leicht ausgeprägt, können diese Maßnahmen durchaus ausreichen.

Bleibt ein Behandlungserfolg aus oder leidet das Kind von vorneherein unter einer sehr schweren Symptomatik (starke Aggressivität, ausgeprägte Funktionsbeeinträchtigung in der der Schule), kommen Medikamente auf den Plan. In Deutschland werden Medikamente erst bei Kindern über sechs Jahren empfohlen, in besonders schweren Einzelfällen ist dies auch im Vorschulalter möglich. Medikamente der ersten Wahl bei Kindern sind Stimulanzien wie Methylphenidat (oder Amphetamin). Alternativen bei Nebenwirkungen oder mangelhaftem Erfolg sind Atomoxetin und Guanfacin.

Stimulanzien, Atomoxetin und Guanfacin sind starke Medikamente, die auch eine ganze Reihe von unerwünschten Wirkungen aufweisen. Aus diesem Grund muss ihr Einsatz gründlich überwacht und die Notwendigkeit einer Therapie regelmäßig fachärztlich geprüft werden. Unter Methylphenidat treten beispielsweise sehr häufig Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Nervosität und Appetitverlust auf. Bei Amphetaminen drohen Appetitminderung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Mundtrockenheit. Guanfacin kann zu einer vermehrten Tagesmüdigkeit führen, zu Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, niedrigem Blutdruck und Gewichtszunahme.

Hinweis: Sowohl unter einer langfristigen Behandlung mit Methylphenidat als auch mit Atomoxetin wurde bei Kindern ein vermindertes Körperwachstum beobachtet – vermutlich aufgrund der appetitmindernden Wirkung. Regelmäßige Kontrollen von Körpergröße und -gewicht sind obligatorisch, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Gegenmaßnahmen sind z. B. gehaltvollere Mahlzeiten sowie Pausieren oder Wechsel des Präparates.

Erwachsene behandeln: Aufklärung, Medikamente und Psychotherapie

Ob bei Erwachsenen eine Behandlung erforderlich ist, hängt davon ab, wie sehr die Lebensqualität eingeschränkt ist. Manchmal hilft schon die ausführliche Aufklärung und Beratung über die Erkrankung enorm. Die Betroffenen lernen, dass ihre Probleme nicht selbst verschuldet sind, sondern eine Ursache haben. Im Rahmen einer Psychotherapie wird trainiert, besser mit den Problemen klarzukommen. Oft lassen sich dabei für bestimmte Situationen Handlungsstrategien entwickeln. Dazu gehört beispielsweise, bei der Arbeit große Ziele in Etappen einzuteilen oder Impulskäufe mit Wunschlisten und Achtsamkeitstraining zu vermeiden.

Reichen die Maßnahmen nicht aus, kommen Medikamente zum Einsatz. Wie bei Kindern und Jugendlichen verordnet die Ärzt*in meist Methylphenydat, alternativ kann die Therapie auch mit Atomoxetin begonnen werden. Welches Präparat individuell am besten wirkt, lässt sich nicht vorhersagen. In Cross-over-Studien mit den Stimulanzien Methylphenidat oder Amphetamin sprachen z. B. 41% der Studienteilnehmer*innen auf beide an, 28% mehr auf Amphetamine und 16% mehr auf Methylphenidat. Greift eine Therapie nicht, wird deshalb ein anderer Wirkstoff versucht. Möglich ist auch die Kombination verschiedener Wirkstoffe. Behandlungserfolg und Nebenwirkungen sollten alle sechs Monate geprüft werden. Einmal im Jahr empfehlen Expert*innen einen behandlungsfreien Zeitraum, um zu überprüfen, ob die Betroffene inzwischen vielleicht auch ohne Medikamente zurechtkommt.

Tipp: Für ADHS-Patient*innen ist das Internet durchaus hilfreich. Dort findet man Kontakt zu Selbsthilfegruppen und Leidensgenoss*innen. Zudem geben immer mehr Betroffene auf eigenen Internetseiten Tipps, wie man die Erkrankung vor allem im Hinblick auf Beruf- und Privatleben besser in den Griff bekommt.

Quellen: S3 Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“, AWMF-Nr. 028-045; www.adhs-deutschland.de

| Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bildrechte: Suzanne Tucker/Shutterstock.com